Die Rotföhre oder Waldkiefer (Weißkiefer; Pinus sylvestris – Kiefer und Föhre sind im Grunde das gleiche Wort) ist über ein riesiges Gebiet verbreitet – es reicht von Schottland und den Pyrenäen im Westen bis ins östliche Sibirien und an den Pazifik. Sie hat keine besonderen Standortansprüche und kommt sowohl mit sehr trockenen als auch mit feuchten Bedingungen, etwa in Mooren, gut zurecht. Weil sie vor allem in der Jugend viel Licht benötigt, kann sie sich besonders auf armen, trockenen oder sandigen Böden gut gegen andere Baumarten durchsetzen. Das kennt man etwa von Forststraßenböschungen. Darüber hinaus wurde sie vielfach aufgeforstet. Weitläufige Rotföhrenforste, wie man sie aus dem nördlichen Mitteleuropa (z.B. um Berlin, Ostdeutschland, Polen) kennt, sind in Österreich eher selten.
Auf Granit sorgen Rotföhren zusammen mit Heidelbeeren, Heidekraut und Flechten für ein „skandinavisches“ Gepräge; auch diese Standorte sind oft nicht eigentlich natürlich, sondern gehen auf eine frühere, intensive Waldnutzung zurück, die dem Boden viele Nährstoffe entzogen hat.
Die Rotföhre in Wien
Rotföhre und Wien – das erscheint auf den ersten Blick wie eine Nicht-Beziehung, steht jene doch in der Bundeshauptstadt – manchmal buchstäblich – im Schatten der Schwarzföhre (Schwarzkiefer; Pinus nigra), die hier, ganz im Südwesten bei Rodaun und Kalksburg, auch ein kleines natürliches Areal hat. Die Schwarzkiefer ist in Wien und im Umland die typische Föhre der Supermarktparkplätze, der Tankstellen, der Friedhöfe und oft auch der Parkanlagen. Bestandsbildend tritt sie entlang der Thermenlinie (Baden, Mödling; besonders auf Dolomitgestein) und in den alten Aufforstungen im Stein- und Marchfeld auf. Ganzen Landschaften verleiht sie ein eigenes Gepräge. Während nun die Schwarzföhre mit ihren langen, smaragdgrünen Nadeln manchmal etwas finster und bedrohlich wirkt (man denke an die Bäume vor dem Natur- und Kunsthistorischen Museum), erscheinen die zarteren, leicht bläulich schimmernden Nadeln der Rotföhre luftiger und leichter. Farblich stehen ihre Nadeln oft in einem interessanten Kontrast zum namensgebenden Rotbraun der höheren Stammabschnitte und Äste – weshalb die Rotföhre der wahrscheinlich „bunteste“ unserer Waldbäume ist.
In Wien hat die Rotföhre wahrscheinlich keine natürlichen Standorte. Trotzdem können wir sie gar nicht so selten beigemischt im Sandstein-Wienerwald antreffen, wo sie besonders auf nährstoffarmen Kuppen mit wenig Humusauflage oder auf saurem Untergrund forstlich gefördert wurde und sich gegen andere Bäume behaupten kann. Die nächstgelegenen ursprünglichen Vorkommen finden wir in den Voralpen, besonders dort, wo die Verbreitung der Schwarzföhre gegen Westen zu endet (z.B. in den Gutensteiner Alpen etwa ab dem Unterberg). Die beiden Kiefernarten kommen aber auch nebeneinander vor. Weiters in der Wachau und im Thayatal, auf felsigen und der Sonne ausgesetzten Hängen.
Viele Rotföhren findet man in Wien in älteren, traditionell bepflanzten Klein- und Hausgartenanlagen neben unserer Fichte (Picea abies) und nordamerikanischen Arten wie der Stechfichte („Blaufichte“, Picea pungens). Um gut wirken zu können, brauchen sie eine gewisse Mindestfläche. Eine definierte Wuchsform besitzt die Rotföhre zwar nicht, im Freistand wächst die Krone aber oft stark in die Breite und der Hauptstamm erscheint manchmal unregelmäßig gewunden. Die Bäume vertragen auch Schnitt, das Entfernen einzelner Äste usw. recht gut und bleiben dabei immer noch ansprechende Baumgestalten – anders Fichten, die man ab einer gewissen Größe nur mehr „absäbeln“ kann. Viele dieser Bäume sind inzwischen in die Jahre gekommen – sie stammen aus einer Zeit, als es noch keine Gartenkataloge gab und man mit „gewöhnlichen“ heimischen Nadelbäumen einen Kleingarten aufwerten wollte – eine Konifere musste es ja anscheinend immer sein. Von den Exzessen der „Koniferitis“ ab den 1960er Jahren war man aber noch weit entfernt!
Sucht man in Wien nach Rotföhren im öffentlichen Raum, so ist häufig eine Verbindung mit Neubauten, besonders der klassischen Nachkriegsmoderne, zu beobachten. Auch hier kann es manchmal zu skandinavisch anmutenden Eindrücken kommen, wenn auch ganz anders als im Waldviertel.
Ein eindrucksvolles Beispiel für Vitalität und Anpassungsfähigkeit liefert dieser Baum in Ottakring, der auf kreative Weise mit seinem ungünstigen Standort umgeht. Ein Ast „durfte“ fast waagrecht auf die Maroltingergasse hinauswachsen, er trägt Zapfen von zwei Jahrgängen und ist noch im Herbst von Insekten umschwärmt. Hoffen wir, dass das noch lange so bleibt!
Im Bestand (= Waldinneren) herrschen auch bei den Kiefern gerade Formen vor. Die Krone bildet dann nur einen relativ kleinen Wipfel, wie bei einem Maibaum (dafür nimmt man bei uns eher Fichten). Solche Bäume findet man im verbauten Gebiet naturgemäß nicht …
Dieser Baum am Meidlinger Friedhof hat sich vor längerer Zeit dazu entschlossen, eine schirmförmige Krone, fast nach Art einer Schwarzkiefer (einstmals das Logo des Österreichischen Naturschutzbundes ziert sie jetzt unsere Vereinszeitung „Natur und Land“) auszubilden. Er ist auch vom Bahnsteig der nahen Station aus gut zu sehen. In seiner Nachbarschaft befindet sich eine überaus mächtige Esche (Fraxinus excelsior).
Text und Fotos: © Mag. Dr. Günther Karl Kunst