Wien braucht keine Seilbahn auf den Kahlenberg

Als Tourismusmagnet und Mobilitätsangebot mit dem Versprechen den Auto- und Busverkehr auf den Kahlenberg zu reduzieren sowie einen Lückenschluss in der Öffi-Anbindung der nördlichen Donauuferseite zu ermöglichen wird das Projekt „Seilbahn Kahlenberg“ angepriesen. Mehrere hundertausend Fahrgäste könnten damit jährlich in Gondeln einer weithin sichtbaren, ganzjährig betriebenen Seilbahn, die dank mächtiger Stützen eine Seilführung in großer Höhe erlaubt, über den Baumkronen bergwärts schweben, heißt es. Alle 20 Sekunden würde eine der mit Innenbeleuchtung, Infotainment etc. ausgestatteten Gondeln in die Station einfahren, auch Nachtfahrten sollen möglich sein.

Gleichzeitig wird das Projekt als umweltschonend und klimafreundlich beworben. Mit Bildern, die Natur rund um die Bahn und absolute Integration ins Landschaftsbild simulieren, wird hier einmal mehr die Beeinträchtigung von Naturräumen schmackhaft gemacht und versucht die Illusion des unbedingten Bedarfs einer solchen Touristenattraktion zu erzeugen. Doch wohin mit den Menschenmassen, die man dann laufend am Kahlenberg zu erwarten hätte? Die überbordende Nutzung der bereits existierenden und vom Initiator des Projektes betriebenen Eventlocations, wie des Waldseilparks, wäre nur eine der Konsequenzen. Weitere Erschließungen, Verbauungen – zu den privaten Partnern des Projektwerbers, mit deren Hilfe das Projekt finanziell machbar werden soll, zählt auch eine Immobilienfirma – wären abgesehen von den direkten negativen Auswirkungen auf das Ökosystem Wald vorprogrammiert.

Dazu kämen noch die negativen Begleiterscheinungen, die die Errichtung und auch der künftige Betrieb der Seilbahn verursachen würden. Die erforderlichen Rodungen für den Bau der Stützen (3 davon im Nutzwaldgebiet des Kahlenbergs) und Zufahrtswege, der Bedarf an neuen Parkplätzen, die Zunahme der Verkehrsbelastung durch die geplante Park & Ride-Anlage in Strebersdorf und der Energiebedarf der ganzjährig laufenden Anlage sind Beispiele dafür. Auch die Beeinträchtigung von Lebensräumen für zum Teil geschützte Arten, vor allem des Lebensraums Luft für hochfliegende Insekten, Vögel und Fledermäuse zählt zu diesen Kollateralschäden. Und nicht zuletzt ist der Eingriff in die Ästhetik des Landschaftsbildes, einer weiteren wertvollen und nicht erneuerbaren Ressource, ein nicht zu vernachlässigender Aspekt.

Durch Projekte wie dieses, das keinen relevanten Beitrag zu einem nachhaltigen Verkehrskonzept liefern würde – die Reduktion des Auto- und Busverkehrs auf den Kahlenberg und die starke Nutzung einer wind- und wetterabhängigen Seilbahn durch Pendler*innen sind Spekulationen –, wird zusätzlich auch noch der Massentourismus gefördert und dabei die Natur vermarktet. Und ob das Ganze kostendeckend läuft oder im Endeffekt doch wieder die Steuerzahler*innen trifft, bleibt auch dahingestellt.

Wenn schon Geld ausgegeben werden soll, dann für Sinnvolles und Zukunftsträchtiges, für Projekte, die mit Natur- und Klimaschutz vereinbar sind. Eine Seilbahn auf den Kahlenberg zählt nicht dazu.


Meinungen zum Seilbahnprojekt Kahlenberg

„Ich sehe das Seilbahn-Projekt sehr kritisch. Der Kahlenberg ist ein wichtiges Naherholungsgebiet für alle Wienerinnen und Wiener und bereits jetzt gut erschlossen. Die Seilbahn bringt für die Erschließung des Kahlenbergs kaum einen Mehrwert, verursacht allerdings erhebliche Eingriffe in die Landschaftsgestalt und Erholungswirkung. Zusätzlich ist auch die Beeinträchtigung geschützter Arten zu erwarten. In Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise müssen wir bestehende Grünräume besonders schützen, denn diese sind nicht nur ein Ort der Ruhe und Erholung für uns Menschen, sondern auch ein wichtiger Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen, die heute ohnehin schon stark in Bedrängnis geraten sind.“

Iris Tichelmann, BSc MSc, Wiener Umweltanwältin


„Als Naturfreundin, Umwelt- und Klimaschützerin und Liebhaberin unserer schönen Landschaft und des Wiener Stadtbildes täte es mir wirklich im Herzen weh, wenn solch ein Projekt realisiert werden würde. Auch bei einer rein nüchternen Beurteilung sehe ich darin keinen wirklichen Vorteil, sondern so gut wie nur Nachteile.

Als Vorteil wäre nur denkbar, dass man ein paar Minuten schneller auf den Kahlenberg kommt – oder hetzt – ist das wirklich ein Vorteil? Und dass man (wetterabhängig!) ggf. eine schöne Aussicht hat – die hat man allerdings von anderen Aussichtsmöglichkeiten in Wien ebenfalls. Eine Vorhersage wie „Verkehrsstudien zufolge wird die direkte Seilbahnverbindung auf den Kahlenberg eine Reduktion der PKW-Fahrten um mindestens 50 Prozent bringen. Zudem wird eine Vermeidung von 80 Prozent der Reisebusse aus Grinzing erwartet.“ ist eine reine Vermutung bzw. „Verheißung“ im Rahmen der Bewerbung des Seilbahnprojekts; dagegen ist es viel realistischer, dass sich hier nur minimal etwas reduzieren wird und eben noch zusätzlich Leute mit der Seilbahn hinauffahren. Die meisten Tourist*innen, die mit Reisebussen nach Wien kommen oder in Wien Besichtigungstouren mit Reisebussen machen, werden wohl gleich in den Bussen sitzen bleiben und bis auf den Kahlenberg fahren. 

Dass die geplante Seilbahn im öffentlichen Interesse liege, bezweifle ich stark. Abgesehen von wirtschaftlichen Aspekten – auch wenn privat 70 Millionen für das Projekt hingeblättert werden, würden dann früher oder später die Steuerzahler*innen zum Handkuss kommen – und praktischen Nachteilen – eine von Wind und Wetter abhängige Seilbahn kann kein taugliches „öffentliches (Ersatz-)Verkehrsmittel“ sein – kann auch eine (weitere) Förderung des Massentourismus, jedenfalls mit den Erkenntnissen unserer heutigen Zeit, nicht (mehr) als öffentliches Interesse gelten, Overtourism lässt grüßen (wer will sich schon in Döbling bzw. auf dem Kahlenberg und in Floridsdorf bzw. auf der Donauinsel so vorkommen wie etwa die Hallstätter*innen oder Venezianer*innen in ihrer Heimat?). Und was den Tourismus in Wien allgemein betrifft, so würde bloß wegen der Seilbahn wohl kein einziger Tourist / keine einzige Touristin mehr nach Wien kommen – da hat Wien wahrlich mehr und viel Besseres zu bieten; nein, es würde eben – wie ja der Projektwerber selbst dargestellt hat – zu einer Umlenkung der Tourist*innen aus dem engeren Stadtbereich nach Döbling und Floridsdorf kommen. (Oder auch das nicht, dann wird sich die Seilbahn sowieso nicht rentieren … .)

Weshalb allerdings Tourist*innen schon nach Wien kommen, sind die berühmten Heurigen – und da will man einen gemütlichen, beschaulichen Heurigenbesuch mit seiner typischen Atmosphäre erleben; dafür wären aber die in kleinerer oder größerer Entfernung ständig vorbeiziehenden Gondeln kaum förderlich, sondern vielmehr hinderlich.

Und dass private Unternehmer*innen mit dieser Seilbahn die Gewinne aus ihren verschiedenen Projekten erhöhen könnten/wollen/würden (vgl. insbesondere Erlebniswelt Kahlenberg + Leopoldsberg, Gastronomiebetriebe), wird wohl niemand als öffentliches Interesse betrachten.

Besonders lehne ich das geplante Projekt aus Natur- und Umwelt-/Klimaschutzgründen ab. Was wir spätestens ab jetzt dringend brauchen, ist möglichst viel naturbelassener, zumindest halbwegs „wildnisnaher“ Grünraum mit intakter Biodiversität bei Fauna und Flora bzw. der Schutz der letzten noch vorhandenen Reste davon. Begreifen die Menschen noch immer nicht, dass sie sich nicht einfach an der Natur bedienen können und dass es nicht Zweck oder gar Aufgabe von Fauna und Flora ist, dem Menschen nach Belieben zur Verfügung zu stehen? Es ist an der Zeit, nicht mehr alles der Gewinn-Maximierung und einer falsch ausgerichteten „Freizeitaktivitätssucht“ zu opfern. Der Kahlenberg braucht keineswegs noch „bequemer“ erreichbar zu sein und auf gar keinen Fall noch mehr „erschlossen“ zu werden. Dasselbe gilt für die Donauinsel. Eine Seilbahn steht sowohl dem Sinn und Zweck eines Landschaftsschutzgebietes (betroffen sind Döbling und Floridsdorf) als auch der Erholungsmöglichkeit und -wirkung in Naherholungsgebieten entgegen.

Kurz gesagt: Das beworbene Seilbahn-Projekt hat nicht nur keine relevanten Vorteile, sondern würde auch diverse schwerwiegende Nachteile bzw. Kollateralschäden mit sich bringen, weshalb ich inständig hoffe, dass es nie realisiert werden wird.“

Mag. Dr. Angela Bergermayer, Heimatbezirk und wohnhaft in Döbling, wissenschaftliche Angestellte


Fragen, Gedanken und Rechenbeispiele zu den projektierten Daten

    – 5,6km Gesamtstrecke

    – ca. 20 Minuten Fahrzeit

    – 115 Kabinen zu 10 Personen (Das wären weit mehr als die angegebenen 1.800 Personen pro Stunde. Bei einer   angenommenen Betriebszeit von 10 Stunden am Tag käme man auf mehr als 30.000 Personen.)

    – alle 20 Sekunden eine Gondel (Wie lange haben dann die max. 10 Personen Zeit um ein- und auszusteigen?)

    Bei einer geschätzten Anzahl von max. 90 wettermäßig schönen Ausflugstagen im Jahr wären dies ca. 1,5 Millionen Personen. Selbst wenn es nur die Hälfte wäre, ist dies mindestens 3-4x soviel wie derzeit.
    ABER DANN RECHNET ES SICH NICHT, ODER? (ist es egal? siehe unten)

    Wiener Linien Bus 38A:
    fährt planmäßig alle 15 Minuten mit max. 90 Personen; das sind pro Stunde 360 Personen; dies wären bei gleicher Annahme der Betriebstage nicht einmal 500.000 Personen (falls 5-min-Takt – max. 1100 Personen – dies kommt aber nur selten vor)

    Da es erfahrungsgemäß solche Intervalle vielleicht an 30 Tagen im Jahr gibt, verringert sich die max. Personenanzahl auf geschätzte 200.000 im gesamten Jahr.

    Laut Luftbild aus www.wien.gv.at sind derzeit Parkplätze für ca. 300 PKW vorhanden.
    Annahme: wenn in jedem PKW 2 Personen sind und diese 3 Stunden bleiben, wären pro ausgelastetem Tag mit 12 Stunden maximal 1.800 Personen am Kahlenberg. Da dies ohnehin nur am Wochenende und bei passendem Wetter der Fall ist, rechne ich mit 150.000 Personen pro Jahr.

    Das heißt, mit Bus und PKW besuchen max. 350.000 Personen im Jahr den Kahlenberg. Mit der Seilbahn sollten es 3-4 Mal mehr sein.

    Ich stelle mir gerade die gastronomische, speziell die sanitäre (!!!) Versorgung für eine halbe Millionen Personen bildlich vor. Wer derzeit an einem wirklich starken Wochenende schon einmal am Kahlenberg war, wird mir recht geben.

    Wo sind die Parkplätze für ca. 600 PKW (Busse gar nicht berücksichtigt), sowie für 1.000 Räder in den Bereichen Bahnhof Heiligenstadt und Jedlesee (Überfuhrstraße)? Welche Flächen werden dafür geopfert??

    Die öffentlichen Anbindungen im Bereich Jedlesee sind, bescheiden gesagt, minimal (nur der Bus 34A).

    23 Seilbahnstützen – das sind durchschnittlich alle 250 Meter eine! Zumindest drei davon befinden sich im Landschaftsschutzgebiet Döbling (Wienerwald und Wienerwaldrandzone).

    Wer kümmert sich eigentlich um das Landschaftsbild? Zeitlich eng getaktet sollen die Kabinen, nachdem sie die Donau zweimal überquert haben, am Kahlenbergerdorf vorbei dank riesiger Stützen oberhalb der Bäume auf den Kahlenberg geführt werden!

    Die Seilbahn würde auch durch den FKK-Bereich der Donauinsel (beginnt 500 Meter nördlich der Jedleseer Brücke) führen, da wird keine große Freude aufkommen (Sichtweite von der Seilbahnstrecke ca. 250 Meter entfernt).

    Wer zahlt geschätzte 10–20 EURO für eine Fahrt und wieder retour? Der öffentliche Bus kostet im teuersten Fall nur 4,80 EURO (2023).

    Weil immer der Vergleich mit anderen Städten, in denen Seilbahnen den öffentlichen Verkehr ergänzen, angesprochen wird: Na gut, mancherorts (La Paz, New York), wo nicht so ein dichtes Öffi-Netz wie in Wien besteht, wird das stimmen. Jedoch, wie viele fahren (nicht als Ausflug) mit den Öffis von Heiligenstadt auf den Kahlenberg oder nach Floridsdorf in die Schwarzlackenau?

    Immer wieder tauchten in den vergangenen 70 bis 100 Jahren Projekte von diversesten Bahnen auf den Kahlenberg und Leopoldsberg auf, jedoch auf eine „Versorgung“ der Besucher wird nicht geschaut.
    Mit Zahlen wird jongliert, damit es nach GESCHÄFT aussieht.
    Alles Bla-Bla, wer rechnet schon nach, ob das alles stimmt und sich ausgehen kann.

    Die projektierten Kosten von 70 Mio. EURO werden, wie immer – und immer wieder – sicher überzogen, dann sind in einigen Jahren wieder „die Steuerzahler*innen“ dran und für wichtigere Investitionen ist kein Geld vorhanden.
    Wenn es schon Investoren gibt, dann bitte doch für Spitäler, Schulen, etc.
    Dies jedoch rechnet sich nicht!

    Alles nach dem Motto: „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“:
    WELTAUSSTELLUNG 1873, HYPO-ALPE-ADRIA, ALPINE, BAWAG, NIEDERMEYER; DAYLI; BUDGETLOCH; ZIELPUNKT; BAUMAX; SKYLINK; COMMERZBANK, LEINER-KIKA; DELKA-SALAMANDER; OPEL-STELLANTIS-STADLAU usw. und so fort.

    Alfred Hengl
    Geboren in Döbling, wohnhaft in Grinzing, gelernter Kartograf (Freytag & Berndt), Hobbyhistoriker seit 40 Jahren, Mitautor des Buches „Vom Leopoldsberg zum Kahlenberg“; äußerte sich bereits 2013 und 2016 kritisch zur Idee einer Gondelbahn auf den Kahlenberg

    Unterschriftenliste der Floridsdorfer Bezirksvertretung gegen das Seilbahnprojekt:


    Foto: © A. Schatten