Friedhöfe – bleibende Oasen der Artenvielfalt?

Im Stadtgebiet von Wien existieren heute 55 Friedhöfe. Neun davon werden von den jeweiligen Religionsgemeinschaften verwaltet und 46 stehen unter der Verwaltung der Stadt Wien. Die städtischen Friedhöfe haben eine Gesamtfläche von rund 5,2 km2. Sie dienen dabei nicht nur als Ruhestätte für die Verstorbenen, sondern sind als Grünoasen mit vielen Bau- und Kulturdenkmälern auch Orte der Erholung und Inspiration für die Lebenden. Was aber oft außer Acht gelassen wird, ist die Tatsache, dass Friedhöfe aufgrund ihrer großen Strukturvielfalt durch unterschiedliche Kleinststandorte und naturnahe Restbiotope auch wertvolle Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten in einer vom Menschen stark genutzten Umwelt darstellen können.

Der Naturgarten am Wiener Zentralfriedhof bietet mit seiner Abgeschiedenheit und Strukturvielfalt Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten. Beide Fotos © Florian Ivanic

Eine Metastudie zur Fauna und Flora von Friedhöfen unterschiedlicher Religionen (Löki et al. 2019) zeigt, dass die Artenvielfalt auf Friedhöfen aufgrund ihres meist langen Bestehens, ihres Angebots an Alt- und Totholz sowie an Hecken, Gebüschen und Wiesenflächen und ihrer relativen Ungestörtheit höher ist als in umgebenden urbanen Gebieten. Sie weist darauf hin, dass Friedhöfe eine wichtige Schutzfunktion übernehmen können, da sie in stark verbauten urbanen Gebieten Rückzugsgebiete für Populationen seltener und gefährdeter Arten darstellen. Doch die Studie zeigt deutlich, dass es auch zunehmende Bedrohungen für die Flora und Fauna dieser Oasen der Ruhe gibt. Dazu zählen intensive Managementmaßnahmen wie häufiges Mähen und Entfernen von Hecken, Gebüschen und Altholzbeständen sowie die Verwendung invasiver Pflanzenarten. Auch Änderungen in der Bestattungskultur, wie etwa der Rückgang der Erdbestattungen, der Flächen entstehen lässt, die langfristig anders genutzt werden könnten, stellen potentielle Bedrohungen dar. Ein weiterer Gefährdungsfaktor ist der Einsatz von Pestiziden, Dünger und chemischen Reinigungsmitteln für Grabsteine. Und nicht zuletzt muss auch das Verschwinden religiöser Tabus und die damit einhergehende Öffnung der Friedhöfe für Veranstaltungen wie Feste, Konzerte, Spielevents und sportliche Aktivitäten als Bedrohung genannt werden.

Um Friedhöfe als Oasen der Biodiversität und als Refugien für seltene und gefährdete Arten zu erhalten, verdienen sie besonderes Augenmerk. Durch entsprechende gestalterische Maßnahmen wie beispielsweise Teilbereiche des Friedhofs verwildern zu lassen, auf das Auslichten oder gar Entfernen von dichten Hecken zu verzichten, versiegelte Flächen zu minimieren und nährstoffarme Flächen zu erhalten oder auch neu zu schaffen sowie durch tier- und pflanzenschonende Pflegeeingriffe können diese Arten geschützt und gefördert werden. Zusätzlich kann durch das Anbringen von Nisthilfen für Höhlenbrüter, von Fledermauskästen sowie Insektenhotels oder das Anlegen von Laub-, Stein- und Holzhäufen in ungestörten Bereichen des Friedhofs wirksamer Artenschutz betrieben werden.

Dohlen-Nistkasten in der Platanenallee am Zentralfriedhof © David Hoi

Einige dieser Maßnahmen wurden zwar beispielsweise schon am Wiener Zentralfriedhof oder am Neustifter Friedhof in Währing, einem sogenannten Umweltfriedhof, umgesetzt. Wo aber bleibt nun wirklich der Artenschutz, wenn es etwa um die Restaurierung des alten jüdischen Friedhofs am Zentralfriedhof geht und Bäume, Hecken und Sträucher beseitigt, von Efeu umrankte uralte Grabsteine „gesäubert“ und schmalste, für das Erreichen der Grabstätten nicht benötigte Pfade freigelegt werden? Oder wie kann man sich guten Gewissens Umwelt-Muster-Friedhof Neustift nennen und gleichzeitig einen wichtigen Bestandteil dieses Konzeptes einem Wohnbauprojekt opfern? Diese und ähnliche Fragen gilt es zu beleuchten, wenn die Natur und die Artenvielfalt am Friedhof dauerhaft unterstützt werden soll.

Quelle:

Löki V., Deák B., Lukács A. B., Molnár A.V. Biodiversity potential of burial places – a review on the flora and fauna of cemeteries and churchyards. Global Ecology and Conservation 18 (https://doi.org/10.1016/j.gecco.2019.e00614)

Wie können Sie eine nachhaltige Gestaltung und Nutzung des Friedhofs unterstützen?

Während das Bewusstsein für ökologische Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln, Kleidung, Kosmetik und anderen Gebrauchsartikeln schon länger im gesellschaftlichen Fokus steht, gibt es im Zusammenhang mit einer ökologischen Nutzung der letzten Ruhestätte noch deutlichen Nachholbedarf.

Dabei könnte jede/r einzelne Friedhofsbesucher/in ihren/seinen Teil zu einer umweltverträglicheren Nutzung und Gestaltung der Grabstätte beitragen.

Das sollten Sie beachten, wenn Sie der Natur auf Ihrem Friedhof helfen wollen:

Hamster beim Verzehr eines Grablichtes © Florian Ivanic
  1. Grabbepflanzungen sollten sich aus heimischen, standortgerechten, insektenfreundlichen Arten zusammensetzen und keine Neophyten enthalten, die heimische, möglicherweise bedrohte Arten in den Friedhöfen verdrängen können. Eine Kombination aus immergrünen Bodendeckern, Kleinsträuchern, Frühlings- und Sommerblühern bringt über viele Monate Farbtupfer aufs Grab und liefert Nahrung für Insekten. Anregungen dafür liefern alte Bauern- und Klostergärten.
  2. Heimische Schnittblumen sollten importierten und oft weitgereisten vorgezogen werden.
  3. Für das Ausschmücken von Trauerkränzen und Grabgebinden eignen sich auch kompostierbare Materialien wie Zapfen, getrocknete farbige Fruchtstände und dekorative Rindenteile sehr gut. Buketts und Gestecke aus Nadelhölzern oder Stroh können auch im folgenden Jahr neu geschmückt und wiederverwendet werden.
  4. Graberde sollte keinen Torf enthalten, denn die Torfgewinnung geht auf Kosten wertvoller Lebensräume, des Klimas und der Artenvielfalt.
  5. Bei der Auswahl der Grablichter und Kerzen ist Vorsicht geboten. Kerzen, die Palmöl und andere wenig nachhaltige Ölverbindungen enthalten, und in Plastikbechern angeboten werden, sind genauso zu vermeiden wie LED-Kerzen und elektrische Grablichter, die als Sondermüll entsorgt werden müssen. Stattdessen sollten Glaslichter, die immer wieder neu befüllt werden können, bevorzugt werden.
  6. Als Alternative zu den üblichen Sargmaterialien bietet sich Holz von heimischen Föhren an.
  7. Beim Kauf eines Grabsteins sollte auf dessen Herkunft geachtet werden. Natursteine stammen oft aus Süd- und Ostasien, sind mit hohen CO2-Belastungen und Umweltzerstörung verbunden und werden unter teils menschenunwürdigen Bedingungen sowie oft unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt. Heimische Steine garantieren kürzere Transportwege und auch bessere Arbeitsbedingungen. Beim Kauf kann man sich an Gütesiegeln wie „XertifiX“ oder „Fair Stone“ orientieren.
  8. Alternativen zu Grabsteinen wären schmiedeeiserne Kreuze, die in heimischen Betrieben hergestellt werden.

Durch die Orientierung an den Prinzipien ökologisch, regional, saisonal und fair produziert kann man auch am Friedhof ein positives Erbe für die Menschen, die Natur und die Umwelt hinterlassen.

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