Die größte Sorge um den Wiener Nationalparkteil Lobau ist das allmähliche Trockenfallen des ehemals üppigen Feuchtgebietes. Längst wäre besonders in der Unteren Lobau eine Hebung der Grundwasserspiegel mit Hilfe wiederkehrender, schubweiser Dotationen aus der Donau nötig.
Selbst bemühte Förster resignieren manchmal „das Gebiet ist eben dabei, arid zu werden, damit hat man sich offenbar abzufinden, durch den Schutzstatus bleibt es immerhin ein naturnaher Erholungsraum zum Radeln und Picknicken . .“ Besonders Kenner der Gewässer und ihrer Fischfauna schlagen längst Alarm.
Die jahrzehntelange Diskussion um Wiederherstellung eines Au-gemäßen Wasser- haushalts, der für einen Feuchtgebiets-Nationalpark definitionsgemäß obligat wäre, blieb weitgehend erfolglos: Dazu fehlen seit längerem allein schon die für Auen unentbehrlichen Überschwemmungen – deshalb entstand die Idee: Man sollte die Untere Lobau über die ehemals durch Hochwässer enstandenen Arme und Gräben rhythmisch mit Donauwasser dotieren. Das wäre dringend zu prüfen.
Die Gemeinde Wien, die das einerseits wollte, andererseits nicht wollte, wählte dafür keinen großen Naturversuch sondern eine – sogar überraschend t e u r e Computer- simulation (!) – mit dem ebenfalls überraschenden ‚Ergebnis‘: Diese Art der (eigentlich sehr naturnahen) Dotation über die Oberflächengewässer wäre dem Grundwasser hygienisch (!) nicht zumutbar. Sagt der Computer. Und dies widerspräche dem „Verschlechterungs – Verbot“ der EU WasserRahmenRichtlinie (WRR). So verletzlich sei hier das Grundwasser!
– jedenfalls nach Meinung des beauftragten Computerteams. . .
Ist dies für Wien besonders kritisch? Der Lobau-Aquifer gilt – trotz widersprüchlicher Aus- sagen – als wertvolle Trinkwasser-Reserve der Millionenstadt, für den Fall, dass etwas mit einer oder beiden Hochquellwassersystemen auch nur vorübergehend passiert – wie es z.B. unter der radioaktiven Wolke des ukrainischen AKW Störfalls Černobyl tatsächlich geschah. Alle Karstquellwässer waren vom nuklearen ‚fall out‘ vorübergehend betroffen, das Lobau-Grundwasser dagegen nicht kontaminiert. (Seither ist die potenzielle Gefährdung durch Ost-Reaktoren aus unseren Nachbarländern nicht geringer geworden, eher näher herangerückt – Wert und Qualität des stadtnahen Grundwasserkörpers bleibt aktuell – schon wegen des Verschlechterungsverbots der EU Wasserrahmenrichtlinie). Eine hygienische Aufbereitung des aus Aubrunnen geförderten Grundwassers (wie in NÖ) wurde in Wien negiert („zu teuer und nicht wirklich nötig„).
Und nun begrüßt, ja ersehnt die Gemeindepolitik gleichzeitig ein Tiefbau Großprojekt, bei dem sich Riesenroboter durch alle durchlässigen Schotterschichten dieses kostbaren ‚Aquifers‘ (Grundwasserkörpers) durchwühlen sollen – mit Materialbewegungen von Hunderttausenden Kubikmetern mit Großmaschinen in bis zu 60 Metern Tiefe (und mehr). Davor warnte der ehemalige Chef-Geologe der OMV schon vor einem Jahrzehnt, bester Kenner der Geologie des Wiener Beckens, Wissenschaftspreisträger des Landes NÖ. Lehrreich auch die sog. „Stauraumstudie Altenwörth“ d. Österr. Ak. d. Wissensch. um 1984: In der, neben dem Stau verbliebenen Relikt-Au zeigten die Probebrunnen: Je näher den dichten Spundwänden des Stauraumes, umso schlechter war das Grundwasser – durch Sauerstoff z e h r u n g – mit den Folgen von Gärprodukten und Anlösung von Eisen- und Manganverbindungen im Boden. Dagegen hatten nicht einmal die, unweit davon durch die Reliktaue strömenden Fließgewässer Kamp und Mühlkamp etwas ausrichten können, was auch die Hoffnung dämpfte, sogenannte „Gießgänge“ würden helfen. Dies war entscheidend für den Einspruch gegen die Wasserrechtsgenehmigung des Staues bei Hainburg.
Also: Wenn schon ‚Dotation‘, dann in Schüben, die Pegel-Schwankungen sind „Atemzüge der Au“- Lebenselixier für Grundwasserbelüftung und Biodiversität – wichtig für die vielen Kleinbiotope, natürliche „Katastrophenstandorte“ mit Arten, die genau das brauchen . . . Die Obere Lobau bekommt wenigstens unterirdisch Gnadenwasser mit Rohren aus der neuen Donau. Ökologisch sah sie schon bessere Zeiten. Doch das ist sehr lange her. B.L.
Fotos © Stefan Sulbauer